Wie groß sind die Händler-Umsätze auf dem deutschen Amazon-Marktplatz wirklich? Hat ein Brandstifter das Logistikzentrum in Graben angezündet? Und wie viel ist Amazon wirklich wert? Einige Antworten liefert der Monatsrückblick auf den Juni.

Marktplatz: Der Deutungskampf um die Umsatz-Zahlen

Es war ein bisschen wie Achterbahn-Fahren – ein Auf und Ab für Amazon, deren Pressestelle und die Medien. Zunächst große Aufregung: Nach einer E-Mail mit Unternehmenszahlen war es möglich, ein gut gehütetes Geheimnis – den Umsatz auf dem deutschen Amazon-Marktplatz – zu berechnen. Der Netto-Marktplatz-Umsatz liegt demnach bei 8,57 Milliarden Euro – das ist viel, aber auch nicht so übermächtig, wie man es sonst von dem Unternehmen kennt. Amazon schweigt zunächst zu dem Leak, dementiert aber dann die genannten Zahlen und Berechnungen – diese seien „in keiner Weise korrekt“. Doch die Spirale dreht sich damit weiter: Denn mit den in der Mail genannten Zahlen wollte das Unternehmen um neue Händler werben – und diese sollen nun falsch sein? Amazon steckt in der Zwickmühle

Prime Day 2019: Zwei Tage und vier mal fantastisch

Ebenso geheim wie die erwähnten Umsatz-Zahlen ist in jedem Jahr das jeweilige Datum des Prime Days: In diesem Jahr findet er am 15. UND 16 Juli statt – also gleich zwei Tage Shopping-Offensive. 2015 war der Aktionstag noch wirklich 24 Stunden lang. Mit Musik-Events will Amazon die Online-Shopper auf den Kaufrausch einstimmen: In Deutschland treten am 9. Juli die Fantastischen Vier und Clueso auf, zwei Tage später an anderer Stelle Taylor Swift. Dabei hätte sicher auch ABBA gut gepasst: „Money, Money, Money“. 

Kritik an Prime-Gebühren und Überwachungs-Projekt

Apropos Geld: In Österreich muss Amazon seinen Prime-Kunden fälschlich erhobene Gebühren zurückzahlen. Die österreichische Arbeitskammer hatte wegen rechtswidriger Klauseln und Geschäftspraktiken geklagt und Recht bekommen. Für mehr Recht und Ordnung sorgen sollen die Haustür-Kameras der Amazon-Tochterfirma Ring in einigen Gemeinden der USA. Dort stellen die Hausbesitzer das Material der örtlichen Polizei zur Verfügung – Datenschützer fürchten die umfängliche Überwachung und kritisieren die Zusammenarbeit zwischen Behörden und dem Unternehmen.

Amazons Alexa im Haus, aber nicht als Beweismittel

Auch Amazons digitale Assistentin sollte mehr gegen Verbrechen eingesetzt werden – das war zumindest der Plan der deutschen Innenminister, die sogenannte digitale Spuren smarter Geräte vor Gericht nutzen wollten. Schließlich entschied sich die Innenministerkonferenz aber doch dagegen. Trotzdem bekommt Alexa weiterhin viel mit von seinen Besitzern, denn Amazon baut in den USA seine smarte Assistentin in immer mehr Wohnungen ein. Dort kann sie unter anderem die Heiztemperatur regeln – und irgendwann vielleicht auch die Miete zahlen?

Hinter den Kulissen: Jeffs Luxuswohnung und die wertvollste Marke der Welt

Ob Jeff Bezos auch Alexa als Mitbewohnerin hat, ist nicht ganz klar. Der Amazon-Chef hat aber gerade eine Wohnung in der New Yorker 5th Avenue erworben – für rund 80 Millionen US-Dollar. Den stolzen Preis kann Bezos aber vermutlich aus der Portokasse zahlen – immerhin wurde sein Unternehmen gerade zur wertvollsten Marke gekürt: Mit 315,5 Milliarden US-Dollar ist der Online-Marktplatz mehr wert als Apple und Google. Die Gründe dafür: Unter anderem Mut und Experimentierfreude, so ein Experte.

Logistik: Lieferungen per Drohne und Feuer im Logistik-Zentrum

Die Drohne ist seit langem ein Lieblingsthema der Branche, Amazon macht es nun konkreter und stellt seine erste Lieferdrohne vor. Sie kann noch wenig tragen, viele Details sind auch noch unklar – trotzdem könnte der kleine Überflieger ein weiterer Meilenstein in Amazons Erfolgsgeschichte sein, wenn er in einigen Monaten wirklich startet. Nicht nur in der Luft, auch am Boden testet Amazon weiterhin Innovationen und startet ein neues Abholkonzept: In den Filialen der US-Drogeriemarktkette Rite Aid können Kunden ihre online bestellten Pakete einsammeln. Noch in diesem Jahr sollen in den USA rund 1.500 weitere stationäre Läden dazukommen.

Mehr als ein Zufall? Im deutschen Amazon-Logistikzentrum in Graben brennt es – zwei Mal innerhalb kürzester Zeit. Nur fünf Tage nach dem ersten Feuer gibt es wieder Flammen – dieses Mal ermittelt die Polizei allerdings wegen eines möglichen Brandanschlages. Der Schaden könnte laut Polizei bei rund zwei Millionen Euro liegen, verletzt wurde bei beiden Bränden niemand.

Streaming: Peinliche Petitionen und Profi-Personal

Gefühle verletzt wurden aber beim Start der neuen Amazon-Serie „Good Omens“. Das Format spielt mit religiösen Klischees und zeigt unter anderem Gott als Frau, die vier Reiter der Apokalypse als Motorradgang und die Zusammenarbeit von Engel und Dämonen. Das war dem christlichen US-Verband  „American Society for the Defence of Tradition, Family and Property“ zu viel: In einer Petition forderte er die Absetzung der Serie – allerdings nicht von Amazon, sondern vom Streaming-Konkurrenten Netflix. Amazon freut sich über die kostenlose Werbung und feilt weiter an seinem Streaming-Dienst Prime. Für die neue Serie zur Vorgeschichte von „Herr der Ringe“ hat das Unternehmen einen kompetenten Berater eingekauft: Bryan Cogman hat zuvor bei „Game of Thrones“ mitgewirkt und soll Amazons Fantasy-Format ebenso erfolgreich machen.