Amazon-Angestellte im US-Logistikzentrum Bessemer dürfen abstimmen, ob sie einer Gewerkschaft beitreten – Amazon schießt dagegen.

Der Konflikt zwischen Amazon und den Gewerkschaften weltweit ist ein alter Hut: Amazon hält seine Bedingungen – auch die der Mitarbeitervertretung – für gut und ausreichend, Gewerkschaften wie Verdi in Deutschland sehen das anders. Jetzt kommt in den USA ein Stein ins Rollen, der die schwierige Beziehung zwischen dem vielleicht bald weltgrößten Arbeitgeber und den Arbeitnehmer-Interessenvertretungen weiter durcheinanderwirbelt: In einem Logistiklager in Alabama dürfen die Amazon-Angestellten entscheiden, ob sie der US-Handelsgewerkschaft RWDSU (Retail, Wholesale and Department Store Union) beitreten, wie neues-deutschland.de berichtet. Es ist die erste solche Wahl in den USA seit 2014 – damals stimmten Arbeitnehmer gegen eine Gewerkschaftsgründung.

Die rund 6.000 Beschäftigten stimmen bis Ende März 2021 per Briefwahl über einen möglichen Beitritt und einer Vertretung durch die Gewerkschaft ab. Bis dahin war es aber ein weiter Weg: Schon im vergangenen Sommer haben sich Arbeiter an die örtliche Gewerkschaft gewandt und unter anderem bis Dezember 2020 rund 2.000 Angestellte von einer Wahl überzeugt. Auch die vor allem in der Coronapandemie zu Beginn oft kritisierten Bedingungen in den Amazon-Lagern dürften dazu beigetragen haben. Die zuständige US-Bundesbehörde für Arbeitsbeziehungen, das National Labor Relations Board, gab daraufhin den Weg für eine Gewerkschaftswahl frei.

So kämpft Amazon gegen einen Beitritt zur Gewerkschaft

Amazon versucht derweil Stimmung gegen einen möglichen Gewerkschaftsbeitritt zu machen – unter anderem mit der eigens erstellten Webseite doitwithoutdues.com, übersetzt etwa „Mach es ohne Beiträge“. Amazon kritisiert hier unter anderem die Gewerkschaftsbeiträge, die die Mitglieder dann zu zahlen hätten, und verweist auf seine eigenen „hohen Löhne“ und andere Benefits, die der Konzern stets gebetsmühlenartig wiederholt. „Amazon wird tun, was immer notwendig ist, um die Gewerkschaft draußen zu halten. Das Management hat Angst“, meint Jake Wilson, Soziologieprofessor an der California State University. 

Der Ausgang der Wahl in Alabama könnte große Auswirkungen haben – vor allem in den USA. „Wenn man es in Alabama schaffen kann, können wir es hier in Südkalifornien mit Sicherheit auch schaffen. Es würde einen riesigen Welleneffekt haben“, erklärt Nelson Lichtenstein, Historiker an der University of California, in der New York Times. 

Was bedeutet die Abstimmung für Amazon Deutschland?

Aber auch für Deutschland hofft Orhan Akman, Leiter der Verdi-Gruppe Einzel- und Versandhandel, auf Impulse. „Schon das Zustandekommen der Gewerkschaftswahl in Alabama ist ein großer Erfolg für die Kolleginnen und Kollegen in den USA. Es zeigt, dass Amazon selbst zu Hause kein ruhiges Hinterland hat, sondern die Beschäftigten selbstbewusst und stärker werdend ihre Rechte einfordern. Wir verstehen das auch als eine wichtige Unterstützung für den Arbeitskampf, den wir in Deutschland seit acht Jahren hier um die Anerkennung der Flächentarifverträge des Einzel- und Versandhandels sowie um einen Tarifvertrag für gute und gesunde Arbeit führen“, so Akman. Das Beispiel in Alabama zeige aber auch, wie schwer den Beschäftigten in den USA eine gewerkschaftliche Organisierung gemacht werde. „Die Biden-Regierung wird sich daran messen lassen, ob sie dieser gewerkschaftsfeindlichen Gesetzgebung in den Vereinigten Staaten endlich ein Ende setzt.“

Wenn bei der Abstimmung bis Ende März mehr als die Hälfte der Belegschaft in Alabama für einen Beitritt zur RWDSU stimmt, wäre Amazon in den USA gesetzlich gezwungen, Verhandlungen über einen Tarifvertrag aufzunehmen.